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„Kein Wunschkonzert“

Warum eigentlich nicht?

Immer wieder höre ich Geschichten, die mir ans Herz gehen. In diesem Fall aber nicht, weil sie so rührend sind.

Was ich gerade meine, sind Luftballons, die Kinder für ihre Mutter steigen lassen wollen, die jedoch nicht in die Vorstellungen des Priesters passen. Was ich meine ist die Musik, die der Verstorbene so gerne hatte, „aber das gehört hier nicht hin.“ Der Gedanke von Farben als Kleidung, die die Verstorbene liebte. Dekoration, die mit ihm oder ihr zu tun hatten, seien es Dekopflanzen, die Liebe zum Fahrradfahren, Gartenutensilien oder eben doch Fußball. Oder das Kostüm, in dem die Enkelin auf dem Begräbnis noch einmal die verstorbene Oma erfreuen möchte.

„Was sollen denn die Leute denken?“, „Das kann man doch nicht machen.“

Ja. Was sollen sie denken? Was ‚kann man‘ nicht machen?

Ich hörte vorhin den Satz „Eine Beerdigung ist kein Wunschkonzert.“ Er war mit Bedauern ausgesprochen, aber… Natürlich, es gibt Gesetze, die aus meist guten Gründen bestehen und die eingehalten werden müssen. Aber was darüber hinaus geht, das soll nicht einzig und allein dazu dienen dürfen, den verstorbenen Menschen zu feiern und den Schmerz der Hinterbliebenen zu lindern?

Der Verlust eines Menschen ist schlimm genug. Die Hinterbliebenen müssen neben diesem noch mit Behördengängen, Vorbereitungen, dem Ausräumen der Sachen oder zumindest der Entscheidung, was damit geschehen soll, kämpfen. Selbst, wenn das alles geschafft ist, wird noch eine Zeit bleiben, in der der Platz so spürbar leer bleibt. Die Beerdigung bietet auf diesem Weg einen ersten Abschluß, zu dem der Abschied ausgesprochen, ausgelebt werden kann.

Dieser Tag, nein, nicht er sollte unter dem Zeichen stehen, er _gehört_ dem verstorbenen Menschen, der Familie, den Freunden, allen, die ehrlich um die Person trauern. Niemand hat das Recht, ihnen hinein zu reden, wie sie trauern. Welche Farben sie zu tragen haben. Welche Lieder sie singen oder ob sie singen. Welche Reden gehalten werden oder ob geschwiegen wird. Welche Umgebung sie sich wünschen oder welche Gesten des Gedenkens und Verabschiedens.

Niemand.

Ich schließe mich dabei nicht aus. Ich sage nicht, daß die gängigen Methoden falsch sind. Ich habe keinen „wahren Weg“ zu bieten. Aber ich sage, daß alles falsch ist, daß den Hinterbliebenen die Zeit noch schwerer und die Schmerzen noch größer macht. Und ich sage, soweit es nicht Anderen neue Leiden verursacht, daß alles richtig ist, das eben diesen Menschen hilft, sich in Liebe und Ruhe, in der Art, wie sie es persönlich für angemessen halten, von dem/der Verstorbenen aus ihrer Mitte zu verabschieden.

Mit Blumen oder Luftballons, mit Fußbällen und lauten oder leisen Liedern, mit Kostümen und Gedichten, mit Erzählungen oder reinem Schweigen. Es geht niemanden etwas an. Außer sie.

Und was sollen die Leute denken? Vielleicht wünschen sie sich ja im Stillen, daß ihre Freunde das auch für sie tun werden.

Und vielleicht sehen sie ja, was dabei offensichtlich wird: Ein Mensch wurde geliebt.


Kommentar von Sabine W.:

Endlich Jemand, der es ausspricht!
Ich habe kürzlich Jemanden beerdigt, der mir sehr nahe stand und wir haben bei der Trauerfeier einen Gitarristen gehabt, der auch am Grab noch ein Lied gespielt hat.
Wir haben eine weiße Taube (eine echte trainierte Breiftaube, die sich auskannte und ein Zuhause hat natürlich!) steigen lassen. Das war wunderschön!
Mir, als Hinterbliebene, hat es gut getan… und wer weiß… auf einmal riss auf jeden Fall der Himmel auf, es hörte auf zu regnen und die Sonne schien…

Sabine, am 08.08.2017 um 21:42 Uhr