Blog

Mutter-Tag, Vater-Tag

Nach einer Lesung von Viktor Frankls Autobiografie unterhielt ich mich noch eine Weile mit den Zuhörern über den Inhalt;nicht zuletzt auch, um ihn besser zu verdauen. Wir sprachen über die Dinge, die er durchgemacht hatte, und den Verlust seiner Familie.

Mit einem Mal merkte eine Dame an “Es ist jetzt ja auch Muttertag.”

Schlagartig wurde ich an das seltsame Gefühl erinnert, welches all die Werbungen für diesen Tag und die achso tollen Geschenke dafür in den letzten Wochen immer wieder hinterlassen hatten.

“Du bist die tollste Mama der Welt.” Bilder, Wellness, immer herein gebracht von glücklich strahlenden Kindern. Während mich die Bilder trotz aller Werbung natürlich durchaus berühren, beschleicht mich der Gedanke: “Ja, ich würde meiner Mutter auch gern Frühstück machen. Können.” Ob sie sich über einen Wellness-Tag gefreut hätte? Ich hätte ihr gern noch einen Kuraufenthalt geschenkt. Auch wenn der Letzte teilweise mit den ihr typischen Kommentaren bedacht worden war. Ich weiß ja noch, daß er ihr gut getan hatte.

Um mich herum war es still geworden. Der Satz hatte offenbar auch Andere innehalten lassen. In meinem Alter oder darüber, war ich wohl nicht der Einzige, der schon mindestens einen Elternteil hatte verabschieden müssen. Irgendwie überrascht es mich trotz meiner beruflichen Erfahrungen außerdem immer wieder, nicht der Einzige zu sein, den das auch nach ein, zwei oder vielleicht mehr Jahren noch anrührt.

Die Dame sprach in die Stille hinein weiter. Sie erzählte, daß ihre Tochter gestorben war. Es war noch nicht allzu lange her, und es war an einem Muttertag geschehen.

Ich glaube, Muttertag ist eigentlich der Tag für alle, die Mütter oder Kinder verloren haben.”

Dieser Satz von ihr, aus der Nachdenklichkeit heraus gesprochen, brachte neue Stille hervor.

Er geht mir nicht so leicht aus dem Kopf.

Natürlich, eine erste Reaktion wäre vielleicht zu protestieren. Daß es doch um das Feiern der Mütter geht. Um all das, was sie für ihre Familie, für ihre Kinder tun. Daß es entsprechend doch ein fröhlicher Tag sein sollte.

Das sollte er sein, das stimmt.

Für die, die ihre Mütter – oder Kinder – verloren haben, zeigt er sich aber vielleicht einfach bei weitem ungeschminkter. Der Mensch tendiert dazu, erst dann besonders wertzuschätzen, wenn etwas verloren erscheint. Auch andere Menschen. Dann erinnert der Tag an das Lachen, das man nicht mehr hören, die Stimme, die nicht mehr zum Ohr dringen wird, die Hand, welche sich nicht mehr liebevoll auf die eigene legen wird.

Vielleicht gilt es dann aber, noch weiter darüber hinaus zu schauen. Vielleicht feiert dieser Tag ja in Wahrheit genau eines:

Das Wunder, welches Eltern einem von Anfang an und später noch im besten Falle schenken können, das Wunder, welches Kinder von dem ersten Funken an uns mitbringen.

Bedingungslose Liebe.